Anfang März rief Christoph von Orginalverkorkt zur 10. Weinrallye mit dem Thema „Chenin Blanc, Weine zwischen Kult und Massenproduktion“ auf. Dies freute mich aus mehreren Gründen: Zum einen ist Chenin Blanc im Moment eine der Weißweintrauben die mich am meisten faszinieren und zum anderen war zu diesem Zeitpunkt bereits für in wenigen Tagen ein Probe rund um den Heiligen Gral des Chenin Blanc geplant.

Deswegen wird es von mir auch zwei Beiträge zur Weinrallye geben.

Hier der Erste unter dem Motto: Kultwein in Massen

Coulée de Serrant Vertikale am 14.03. mit Virgine & Nicolas Joly und David Schildknecht


16 Jahrgänge Coulée de Serrant

Wieder einmal hatte Uwe Bende zu einer Probe ins Haus der Harmonie in Bochum geladen. Und wenn Uwe das tut dann verspricht es eine extraordinäre Probe zu werden. 16 Jahrgänge zwischen 1973 und 2006 des Biodynamik Vorzeigeguts Coulée de Serrant hatte er aufgefahren. Und als sei es noch nicht genug eine solche Vertikalen eines der berühmtesten Weißweingüter der Welt zu organisierten, gewann er – mit Hilfe der Wine Advocate Weinkritikers David Schildknechts, der ebenfalls abgereist war – Nicolas Joly selbst und seine Tochter Virgine dafür den Abend mitzugestalten.


16 Jahrgänge Coulée de Serrant

Zu Beginn gab es auf der Terasse, die gleichzeitig als Weinkühlschrank diente, einen weißen Rhone Wein von Ville Jullien, der Aufgrund seiner mangelnden Typizität der AOC Status aberkannt bekam und deswegen als Vin de Table vermarktet wurde.

Nachdem man sich ausführlich begrüßt und kennegelernt und auch die Pressephotographin ein Bild der prominenten Gäste im Kasten hatte, begaben wir uns in die großzügigen Verkostungsräumlichkeiten. Wie aus Bochum gewohnt, gab es einen Tisch zur Verkostung und einen an dem das hervorragende dreigängige Menü gereicht wurde, daß Haus der Harmonie Chefkoch Daniel Birkner gezaubert hatt. Leider habe ich mir dazu keine Notizen gemacht und kann daher nicht im Detail berichten.


Coulée de Serrant von 2006-1994

Nicolas Joly berichtete uns, während wir die ersten Weine verkosteten von seinem Gut. Coulée de Serrant – das übrigens eine Appelation für sich ist – ist seit den 50er Jahren im Besitz seiner Familie. 1979 kehrte er seiner Karriere im Finazsektor den Rücken und übernahm das Weingut. Der ersten Wein der Vertikale von 1973 ist also noch unter den Ägiden seiner Mutter entstanden. In den ersten 2-3 Jahren betrieb er das Gut noch konventionell nach den Ratschlägen der örtlichen Landwirtschaftskammer, bemerkte aber bald, daß dies ihm nicht als der Richtige erschien und machte so ca. 1981 erste Versuche mit dem biodynamischen Weinbau. Damals gab es dazu jedoch fast keine Vorbilder, so das er die steinersche Lehre selbst für den Weinbau adaptieren musste.


Coulée de Serrant von 1993-1981

Ich stehe dem philosophischen Hintergrund der Biodynamik als wissenschaftlich geprägter Mensch ziemlich skeptisch gegnüber aber die Ausführungen Nicolas Jolys bestätigten mich in meiner Vermutung, warum viele Biodynamisch arbeitenden Winzer deswegen – oder vielleicht auch trotzdem – so hervorragende Weine herstellen.

Mir scheint es so, daß in der Praxis weniger dies Philosophie eine Rolle spielt, sondern eher der Wille die Abläufe in der Natur genau zu beobachten und daraus Schlüsse zu ziehen. Ist das nicht die eigentliche Grundlage der Naturwissenschaft?

Daraus Folgt – wie es Nicolas Joly darstellte – die Einstellung „Die Arbeit des Winzers soll den reben in ihrer Entwicklung helfen und sie nicht behindern“. Das zweiteres, wenn man den Wein in ein Korsett zwängen will leicht passiert, liegt nahe. Auch andere Ansätze sind sehr gut nachvollziehen: Zum Beispiel ist es naheliegend, das der Jahreslauf, insbesondere Tageslänge und Sonnenstand Pflanzen und damit auch Wein beeinfluß und dies bei der auswahl von Rebsorten an für einen bestimmten Ort berücksichtigt werden muß.

Auch die berühmeten „Kräutertees“ zum Beispiel aus Hagebutte, Brennessel oder Seetang, mit denen die Reben gespritzt werden erscheinen sinnvoll. Haben bestimmte Heilkräuter nicht auch Wirkung auf uns Menschen und werden seit jahrtausenden in der Medizin eingesetzt? Daß man jedoch dies Tees vorher „dynamisieren“ soll, erscheint mir dann doch eher als Hokuspokus. Aber schaden wird es wohl kaum.


Coulée de Serrant von 1973 sowie ein Coulée de Serrant Molleux von 1995

Aber auch neben der Biodynamik gab es viel zu Berichten: So betonte er ausgesprochen die Wichtigkeit eines gewissen Boytritisbefalls für die Aromenentwicklung von Chenin Blanc.

Auch die Spontangärung ist für ihn essentiell. Der Tempraturverlauf währen der Gärung sollte seiner Meinung nach „wie bei Fieber“ stark ansteigend und dann langsam abfallend sein und er empfiehlt auch Winzern, die auf Grund des örtlichen Klimas nicht auf Kühlung verzichten können trotzdem diesen temperaturverlauf zu simulieren. Eine malolaktische Gärung wird von Ihm weder befördert noch verhindert und findet nur in wenig jahren statt.

Auch spricht er sich gegen den Einsatz einheitlicher Klone aus. Diese machen zwar die Arbeit leichter, weil sie gleichmäßig wachsen und reifen, sorgen aber auch durch geringere Diversität für eine geringenere Komplexität der Weine.


Gestellt für die Presse: Uwe Bende, Vigine Joly, Nicolas Joly, David Schildknecht, Daniel Birkner

Doch nun erstmal die Verkostungsnotizen:

Ville Jullien Vine de Table; (deklassieter Cote du Rhone)
dunkles Strohgelb
An der Nase Birnenkompott
Im mund würzig, leicht alkoholisch nach Birne. Erinnert ein bisschen an einen Williams Christ – Eau de Vie (85)


Nicolas Joly erklärt seine wein

1973 Clos de la Coulée de Serrant
Helles Bernstein
Kräuternase mit leicht modrigen Tönen. Birne, Frische Feige, Dörrapfel, Quitte
Am Gaumen Salbei, nussige Aromen, Karambola. Ein wenig Feuchtes Zeitungspapier (Aber kein TCA-ton)
Mitterer Körper (89)

1981 Clos de la Coulée de Serrant
Dunkles Strohgelb
Nasenbild von Birne Quitte und Getrocknetem Apfel aber auch Nelke, und Minz-/Eukalypthustönen
Im Mund nussig, mit Aromen von saurer Mirabelle, Birne und Apfel (89)

1982 Clos de la Coulée de Serrant
An der Nase Birnenkompott, Zwetschge, frische Feige und Rosmarin
Am Gaumen etwas Säuerlich/Salzig, Fisch, saurer Apfel Avocado (86)


Der Rheingauer Winzer Peter Jakob Kühn und David Schildknecht

1988 Clos de la Coulée de Serrant
Dunkles Strohgelb
An der Nase Honigmelone, Kräuter, getrocknete Apfel
Am gaumen spritzige Säure, fruchtige Limmette, Apfel und Nelken
(90)

1989 Clos de la Coulée de Serrant
Dunkles Strohgelb
An der Nase Kandis und Mirabelle
Geschmacklich dominieren Pfirsich und Honigmelone im Hintergrund jedoch auch Salbei und andere Kräuter (92)


Das Hauptgericht ist serviert.

1990 Clos de la Coulée de Serrant
Dunbkles Strohgelb
Leichte Nase. Etwas Buttrig. Getrocknete Feige
Am Gaumen gedörrte Birne und Mirabelle sowie Kräuternoten und Salbei (90)

1993 Clos de la Coulée de Serrant
Dunkles Strohgelb
In der Nase sehr stark Aromen von getrockneter Feige im hintergrund leichter Salbei
Am Gaumen gedörrte Birne, Nelken Salz. Später:Birne Mirabelle Pfirsich
Sehr untypischer aber enorm faszinierender Wein. In der Nase Erinnert er ein Bisschen an einen Pedro Ximenez und der Geschmack an einen Manzanilla (95)


Uwe Bende und Virgine Joly beim öffnen der Flaschen

1994 Clos de la Coulée de Serrant
Helles Strohgelb
An der Nase Birne und Mirabelle und ein leichter Acetonton, den ich jedoch nicht als störend empfand später war auch Ananas zu riechen
Neben gedörrter Birne am Gauen auch Feige und Limette mit einer angenehm lebendigen Säure.
Mir kam der Wein allerdings etwas verschlossen vor. (89)

1996 Clos de la Coulée de Serrant
Deutlich aus der Reihe tanzte dann der 1996er und empfing uns mit Ingwer und unreifer Ananas in der Nase
Am Gaumen dann erdig, trüffelige Töne aber auch Nelke Knoblauch sowie apfelige Aromen und unreife Birne
Ingesamt ein interessanter und komplexer Wein (92)


Nicolas Joly und David Schildknecht

1999 Clos de la Coulée de Serrant
Helles Amber
An der Nase eindeutig TCA und noch ein wenig gedörrte Birne
Im Mund dann völlig Kork dominiert (NR)

2002 Clos de la Coulée de Serrant
Dunkles Strohgelb
Leichte Nase mit Aprikose Birne und Nelke
Am Gaumen gedörrte Äpfel und Birnen (89)


Uwe Bente, David und Felix Warners, Guy Bonnefoit

2003 Clos de la Coulée de Serrant
Nasenbild von Kandis und Physalis, Netzmelonen und Joghurt. Ganz leicht auch Aceton
Am Gaumen Mango, Lychee und Buttermilch
Sehr eigen aber auch sehr Interessant (90)

2004 Clos de la Coulée de Serrant
Dunkles Strohgelb
Leichte Apfelessig- und Acetonnote in der nase aber auch Girne und getrocknete Aprikose.
Zwetschen, Honigmelone und getrocknete Aprikose am Gaumen
Baut im Glas ziemlich ab (89)


Peter Jakob Kühn, Nicolas Joly, David Schildknecht, Michael Quentel

2005 Clos de la Coulée de Serrant
Geht im Glas erst langsam auf
Würzig, Kirsche, Schokolade und Ingwer in der Nase
Am Gaumen Limette, Magustine und Ingwer.
Toller, wohl balancierter und komplexer Wein. (96)

2006 Clos de la Coulée de Serrant
Leichte Aceton-/Apfelessignote in der Nase aber auch Apfel/Apfelwein und Zimt
Am Gaumen Pflaume, Zimt, Ingwer und Lychee (91)


David Schildknecht, Armin Maurer und Uwe Bende scheinen Spaß zu haben

1995 Clos de la Coulée de Serrant Moulleux
Helles Bernstein
Leichte Nase mit Apfel und Birne
Geschmaclich -anders als der Name vermuten läßt – sicht sonderlich Süß. Getrocknete Aprikose, Datteln und Rosinen aber auch unreife Banane aber auch eingelegte Erdbeeren (90)

1947 Vouvray Marc Bredif
Amber
Salzig, meerig, fischiges Nasenbild mit unreifen Aprikosen und geräuchertem Speck
Am Gaumen Kandis, Honig, Aprikosenmarmelade und kandierte Kirschen.
Genußreich, faszinierend und in einem tollen Zustand, besonders wenn man bedenkt, daß der Wein der fast doppelt so alt ist wie ich. (95)

Insgesamt war ich von der Komplexität der Weine begeistert, doch noch mehr faszinierte mich wie sehr die Weine von Jahrgang zu Jahrgang differierten aber trotzdem – von eingen extremen Aussreiser abgesehen – ein gemeinsamen Grundstil behielten. Natürlich ist auch das Alterungspotentzial der Weine beeindruckend.

Weitehin hatte ich auch noch das Vergnügen den Abend neben Guy Bonnefoit zu sitzen. Zum einen ist er eine sehr angenehme Persönlichkeit mit einem enormen Wein- und Kulinarikwissen, zum anderen erstellt er umfassende Aromaprofile von Weinen (Jahrgangsübergreifend) und ermittelt daraus Speiseempfehlungen. Für deutsche Weine hat er seine Ergebnisse im Buch „Bonnefoit Deutschland“ herausgegeben das ich hier demnächst besprechen werde.

Natürlich war nach diesen 18 Weinen die Probe noch nicht zuende. Danach schloß sich noch eine „Riesling Bottle Party“ an. Über diese werde ich aber zu einem anderen Zeitpunkt berichten.

Weitere Berichte über die Probe finden sich bei Michael Quentel und bei Talk About Wine