Auch wenn es bereits über 2 Monate her ist, daß die Bordeaux Raritätenprobe am 11. und 12. Januar im Haus der Harmonie in Bochum stattfand, möchte ich Euch die Eindrücke dieser ganz besonderen Probe nicht vorenthalten.

Die Probe wurde von Uwe Bende – den ich über das Weinforum Talk-About-Wine kennengelernt habe – und dem ich an dieser Stelle herzlich für diese fantastische Gelegenheit, mehr über alte Bordeaux zu lernen, und die vorzügliche Organisation danken will.

An der Probe nahmen 10 Weinbegeisterte teil und ich wurde – auch als in der Welt alter Weine Unbedarfter – sehr herzlich aufgenommen. Die Stimmung wahr vorzüglich und ich verursachte mehrfach fast eine Sauerei, wenn einer der zahllosen Lache in unglücklicher Zeitgleichheit mit einem Schluck aus dem Glas war.

Am ersten Tag der Verkostung gab es die richtig alten Weine. Da hier sehr unklar war was und wieviel noch zu geniesen war, war es der „abenteuerliche“ Tag der Probe.

Apperitiv (inoffizieller Flight)
Als Wilkommenstrunk gab es einen jungen aber nichts destotrotz sehr feinen.
Leider habe ich mir keine Notizen gemacht deshalb eine Verkostungsnotiz aus dem Gedächtnis:

2006 Weingut Keller Scheurebe Trocken – Rheinhessen
Angenehme fruchtige Nase.
Am Gaumen erfrischend mit Zitrusnoten, Apfel und gelben Früchten.

Die wirklich alten Weine (1. offizieller Flight)
Im ersten Flight hatten wir die beiden Weine aus dem 19. Jahrhundert.

August Agniel war wahrscheinlich ein Lehrer an einem Internat in Südfrankreich, der Weine aus dem Bordeaux faßweise einkaufte und diese selbst abfüllte.
Die Weine waren in alte Pernod (?) Flaschen gefüllt, mit sehr kurzen Korken verkorkt und mit Siegelwachs verschlossen.

Die Weine hatten bereits fast ihre Farbe verloren aber besonders der 1864 war in gutem Zustand und überaschte mit übriggebliebenen Fruchtaromen und entwickelte sich gut an der Luft. Es war zwar sicher nicht der beste Wein des abends aber mit Abstand der Interessanteste.


1864 Auguste Agniel
Durchsichtiges rosa-orange
In der Nase medizinal, Hustensaft und Kandis
Am Gaumen überraschend Frisch mit Zitrus und Pertrolnoten später Erdbeer und rote Johannisbeere.
Mittellanger Abgang.
Dieser 143 Jahre alter Wein ist in überraschend gutem Zustand (86)

1896 Auguste Agniel
Durchsichtiges hellorange
In der Nase chemische Töne nach Klebstoff oder Lösungsmittel, die später verschwinden und durch Kandis und Karmellnoten ersetzt werden.
Im Mund zuerst extrem sauer. Der erste Schluck war fast untrinkbar. Wird ebenfalls mit der Zeit besser und leichte rote Johanisbeere zeigt sich. (83)

August Aginel aus dem frühen 20. Jahrhundert (2nd official flight)
Als nächstes hattemn wir zwei Agniel Abfüllungen vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Der 1907er war in einem deutlich schlechteren Zustand als seine älteren Brüder aber der 1926 zeigte nicht nur deutlich mehr Farbe sondern war auch in weit besserem Zustand. Diese Abfüllung war in einer sehr interessanten Flasche mit einer kyrillischen Prägung die aus einem Namen und der Ortsangabe „Riga“ bestand. Wahrschinlich war es also eine Wodkaflasche in die dieser Cote de Castillion abgefüllt wurde.

1907 Auguste Agniel – Bordeaux
Durchsichtiges Orange-Rose
In der Nase starke aber später schwächer werdende Klebstoff-Töne aber auch leichte rote Johannisbeere
Im Mund ziemlich säuerlich aber nicht unangenehm wie ein Apfelessig oder ein sehr saurer Apfelwein.
Verliert aber recht schnell und ist dann einfach nur noch sauer. (84)

1926 Auguste Agniel – Cotes de Castillon
Durchsichtiges rötlich-dunkles Orange
Sehr leichte Nase mit schwarzer Johanisbeere
Am Gaumen leichte süße und säuerlich rote Johannisbeere (87)

3. offizieller Flight
Für den Letzten „Flight“ – es is nur ein Wein – bevor wir uns der Vorspeise widmeten sprangen wir ein paar Jahre auf der Zeitachse zurück und probierten einen 1919er Wein aus einer der Sattelitenappelationen vom St Emilion. Flasche und Etikett waren in einem sehr guten Zustand. Der Wein leider nicht: Er war ziemlich hinüber.

1919 F. Pignat – Montagne-St. Émilion
kräftiges rot mit nur leichtem orangenen Wasserrand.
In der Nase feuchtes Papier, Waldboden und Madeirapflaume
Im Mund Erdig. Außer einer vorhandenen Tanninstruktur ist aber nur noch säure übrig geblieben

Vorspeise (Inoffizieller Flight)
Die Vorspeise wurde in einem Nachbarraum gereicht. Mehr aus akademischem interesse hatten wir zuerst einen 1967 Margaux Pavilion Blanc der jedoch – wie es auch zu erwarten war – nicht mehr wirklich lebte.

Die beiden jüngeren Weißweine waren sehr angenehm auch wenn ich die hohe Parker-Punktzahl den Chateauneuf nicht nachvollziehen konnte. Der recht ungewöhnliche deutsche Chardonnay wurde spontan von Peter in die Runde geworfen. Danke!

1967 Pavillon Blanc du Château Margaux – Bordeaux Contrôlée
Leichte orange Färbung. Lustig, daß dieser Weißwein fast den selben Farbton hat wie der 1907er Rotwein aus dem 2. Flight.
An der Nase modrig wie ein feuchter Keller
Am Gaumen nasses Papier (Allerdings anders als bei einem Korkfehler). Salzig – Ein bisschen wie ein Manzanilla Sherry.
Meiner Meinung nach ziemlich hinüber.


2001 Château de Beaucastel Châteauneuf-du-Pape Blanc Cuvée Roussanne Vieilles Vignes

Strohgelb
Würzige Nase, Malolaktische Töne (Buttermilch)
Gelbe Früchte und gewürznoten am Gaumen. (89)

2000 Rainer Kessler Chardonnay Spätlese – Pfalz
Goldgelb
Fruchtige aber recht dezente Nase
Fruchtige süße, Gelbe Früchte (89)



4. offizieller Flight

Nach der Vorspeise setzten wir die Probe mit zwei Weinen vom linken Ufer aus 1928 fort.
Der Mouton D’Armailhac war bereits hinüber, der Bran-Cantenac war zwar in weit besserem Zustand ließ im Glas aber ziemlich schnell nach.

1928 Château d’Armailhac – Pauillac
Duchsichtiges Granatrot bis Ziegelrot
An der Nase erdig/pilzige Töne mit ein wenig Erdbeere im Hintegrund
Am Gaume ziemlich sauer.

1928 Château Brane-Cantenac – Margaux
Etwas trübes dunkles Ziegelrot mit leichtem orangenen Wasserrand
In der Nase säüerliche Pflaume
Am Gaumen voller Kirsche. Sehr angenehm aber läßt schnell nach. (86)

5. offizieller Flight
Dieser Flight war eindeutig der Genußvollste der „offiziellen“ Flights dieses Abends bestehend aus einem 1928 Clos Fourtet und einem 1934 Lafite. Der Lafite hatte kein Etikett mehr, war jedoch eindeutig an der Kapsel, auf der sowohl Chateau als auch Jahrgangsangabe aufgedruckt war, zu identifizieren.

Zuerst gefiel mir der Clos Fourtet deutlich besser als der Lafite, dieser legte jedoch mit der Zeit im Glas zu. Uwe und ich teilten uns – vielleicht eine Stunde später – den Rest des Lafite aus der Karaffe. Zu diesem Zeitpunkt zeigte er dann wirklich was in ihm steckte und wurde damit für mich zum WOTN aus dem ofiziellen Programm.

Alles in allem war dieser Flight ein reichlich dekadentes Erlebnis für mich. Der Lafite war für mich der erste Premier Cru Classe den ich drinken durfte und auch wenn er in diesem Alter sicher nicht mehr alles Zeigen konnte was einmal in ihm steckte und er sicher auch nicht der beste Wein war den ich bis jetzt getrunken habe ist mit einem 1934 Lafite das Premieres trinken anzufangen eben … naja .. ziemlich dekadent.

1928 Clos Fourtet – St. Émilion Grand Cru
Ziegelrot mit orangen Wasserrand
In der Nase am Anfang geröstete Kastanien. Leichte Erbeerearomen.
Auch am Gaumen leicht säuerliche Erdbeeren und Kirschen
Verbessert sich im Gals und ist nach einiger Zeit wohlbalanciert und schön zu trinken. (88)

1934 Château Lafite Rothschild – Pauillac
Dunkles Rubin mit nur sehr dünnem Wasserrand
Unaufdringliche Nase. Zu Beginn etwas muffig. Als dies verflogen war kamen kandierte Kirschen und ein wenig Minze zum vorschein.
Am Gaumen Kirsche und Cassis mit einer ordentlichen Tanninstruktur.
Verbesserte sich deutlich im Glas/Karaffe (90)

Hauptspeise (Inoffizieller Flight)
Bevor wir uns der Hauptspeise widmeten, präsentierte Uwe den ersten Piraten blind und ließ uns Raten um was es sich den handeln würde.

Vorneweg gesagt war es der bis jetzt beste Wein des Abends und blieb auch – wenn man die „inoffiziellen“ Weine hinzuzählt – mein WOTN. Wir konnten den Wein auf einen reiferen Burgunder eingrenzen und als der Wein aufgedeckt wurde zeigte sich ein 1949er Nuits St.Georg.

Zum Hauptgericht gab es Rinderfilet mit Paprika-Schalotten-Confit und Kartoffelgitter. Dazu einen 2001er Cotes du Luberon aus der Magnum, der mir besonders als Essensbegleiter gut gefiel aber in meinen augen noch ein bisschen jung war.

1949 Patriarche Père et Fils Nuits St. Georges Réserve du Bastion des Dames
Ziegelrot mil leichtem Wasserand
Tolle Nase mit Erdigen- und reichen Kirscharomen
Am Gaumen ebenfalls Kirsche und auch Pflaume (92)

2001 Château La Verrerie Côtes du Luberon
Aus der Magnum
Nase voll Kirsche
Am Gaumen eine gewisse Astringenz sowie Brombeere und Schlehe
Starke Tanninstruktur. Noch etwas jung (88)


45er (6. Offizieller Flight)

Ob der Cheval Blanc wiklich das war, wofür wir ihn hielten konnte nicht zu 100% geklärt werden. Das Etikett fehlte und auch der Korken war nicht mehr in einem Zustand, daß man auf Ihm etwas hätte erkennen können. Auf der Flasche war nur ein vom Vorbesitzer angebrachtes handgeschriebenes Etikett. Da die Flasche laut Uwe jedoch wohl aus einer Vetrauenswürdigen Quelle stammt waren die Chance, daß es sich tatsächlich um einen 45er Cheval Blanc handelte nicht schlecht.

Beide Weine waren ordentlich, da es sich jedoch um den „legedären“ 45er Jahrgang handelte war ich ehrer ein bisschen entäuscht.

1945 Château Cheval Blanc – St. Émilion Grand Cru
Rubinrot mit dünnem Wasserrand
Schwarzkirsche an der Nase
Im Mund saure Johanisbeere (86)

1945 Château Cantemerle – Haut-Médoc
Dunkles Rubinrot, fast keine Wasserränder
Tolle Nase voller kandierter Kischen und Schattenmorellen
Unglücklicherweise am Gaumen ziemlich säurlich und kaum Frucht (85)

49er (7. offizieller Flight)
Die letzten beiden Rotweine des ofiziellen Programs kamen aus dem Jahr 1949. Der Grand Mayne hatte noch eine sehr schöne Farbe war aber leider bereits madeirisiert und tot. Der Croiz-Bages sah deutlich älter aus war dafür noch angenehm zu trinken.

1949 Château Grand Mayne – St. Émilion Grand Cru
Dunkles Rubinrot bis schwarz
In der Nase Liebstöckel
Am Gaumen ziemlich brandig und einen Hauch von Pflaume
Ziemlich hinüber

1949 Château Croizet-Bages – Pauillac
Ziegelrot mit breiten Wasserrändern
Kirschig/Erdige Nase
Am Gaumen leicht mit Erdbeeraromen (85)

Piraten! (Inoffizieller Flight)
Bevor wir uns dem Dessert zu wandten gab es noch zwei interessante Piraten. Der erste hatte leider einen Korkfehler, doch was unter dem TCA noch herauskam war so vielversprechend, daß ich mir Ziemlich sicher bin, daß wenn dieser 62 Jahre alte Chilene in Ordnung gewesen wäre, dies der beste Wein des Abends gewesen wäre. Die Comtesse war danach natürlich eine nette Entschädigung.

1946 Cap Corronell Sellecction Especial – Chile
Dieser Chilenische Pirat war leider ein Korker aber es war immer noch ein wundervoller Wein
In der Farbe Rubin- bis Granatrot
Die Nase war vom deutlichen Korkfehlton abgetötet
Am Gaumen war das TCA auch recht dominant, doch darunter war – anders als erwartet – die Frucht nicht verschwunden.
Da waren immer noch starke Spuren von Himbeeren und Brombeeren die davon erzählen was für ein toller Wein dies hätte sein können.
Es war so gut, das dies der erste korkige wein war bei dem ich das Glas nicht wegschütten konnte.

* 1978 Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande – Pauillac
Dieser Pauillac begrüßte uns mit einem dunklen Rubinrot
Die tolle Nase war voller Frucjt mit Kirschen und Minze
Am Gaumen zeigte er erdige Aromen sowie Bronmbeere und Pflaume mit einem mittellangen bis langen Abgang (89)

Sweet Stuff (8. offizieller Flight)
Während wir als Dessert eine hervorragende auswahl von Rohmilchkäsen genossen gab es den ofiziellen Dessertwein. Unglücklicherweise war er hinüber.

1945 Château Fayou-Peytoupin – Loupiac
Bernsteinfarben
Die Nase voller Petroltöne die auch im Mund dominierten
Alles in allem: Tot!

Dessert (Inoffizieller Flight)
Das inoffizielle Programm war aber mehr mehr als genug Entschädigung dafür. Der „Cote Rions“ (soweit ich weiß ein Handelsname für Barsac Weine am Anfang des 20. Jahrhunderts) war ein wahrer Genuß. Auch die Kallstädter Saumagen Beerenauslese die wiederum Peter aus dem nichts hervorzauberte mußte sich dahinter nicht verstecken.

1921 Cotê Rions Filling by L.C. Becker Lübeck – Barsac
Goldgelb
Sehr leichte Nase mit Pfirsich- und Nußaromen
Am Gaumen köstlich balancierte süße mit Kandis, Apfel und Aprikosenmarmelade und einem langen Abgang (91)

1993 Herbert Bender Kallstadter Saumagen Riesling Beerenauslese – Pfalz
Goldgelb
In der Nase Pfirsich und einige wohl integrierte Petrolaromen
Im Mund voller Hnig, Kandis und Quitte (90)

Weiter Eindrücke vom Abend:

Fröhliches Weine raten bei Uwe (Inoffizieller Flight)
Nach dem Nachtisch verleisen wie die „Harmonie“ und begaben uns per Taxi in Uwes heilige Hallen.
Dort zauberte er eine geheimnisvolle Flasche nach der anderen aus seinem Keller uns lies uns raten, was es denn sein könnte.

Wir hatten verdammt viel Spaß! (Zu den meisten Weinen habe ich leider keine Verkostungsnotiz sondern nur Name und Bewertung)

Als wir irgendwann um 4 Uhr früh dem raten überdrüssig wurden servierte Uwe köstliche Kalbsbäckchen mit Rotwein-Port Sauce und zog einen 1985 La Mission Haut Brion aus dem Keller.

Wie könnte man einen Abend besser beenden?

1949 Kraft (Bremen) (Abfüller) „Latrenon“ – Frankreich
Rubinrot
In der Nase Kirsche und Brombeere
On the Palate Raspberry
Am Gaumen Himbeere (86)

1926 Clos Fleurie Fleurie – Beaujolais, Fleurie (86)

1952 Chateauneuf du Pape Vignoble de Boilauzon, R. Groiller Proprietaire-Viticulteur Caves a Travaillan (84)

1947 Moreaux Mâcon
Tot

1947 Beaune Clos des Mouches Clos des Mouches (88)

1961 Château La Lagune – Haut-Médoc (85)

1985 Château La Mission Haut-Brion – Pessac-Léognan
Dichtes Rubinrot
In der wunderbar vollen Nase Schwarzkirschen
Nocht strarke Tanninstrukturen
Am Gaumen erdig und Schlehe, auch hier Schwarzkirsche und langer Abgang
Insgesamt erscheint dieser wein für seine 23 Jahre noch sehr Jung (91)

Der Bericht über Tag 2 folgt in einigen Tagen.